Interview zum Taijiquan

Dieses Gespräch zum Taijiquan und zur Trainingspraxis führte Falk Heinisch mit Nabil Ranné.

Falk: Warum Taijiquan? Wie bist du zum Taijiquan gekommen?

 

Nabil: Ich habe bereits als Kind Kampfsport gemacht und fand das Thema immer spannend. Wie wohl die meisten in dem Alter. Diese Art des Bewegungslernens ist mir recht leicht gefallen und hat mir zugesagt, weil ich es für die Persönlichkeit und auch von der Komplexität her interessant fand. Ich habe es dann etwas schleifen lassen, aber als ich Anfang 20 war, erzählte mir ein Kumpel von „Taichi“, das Meditation mit Kampfkunst verbinden würde. Das klang irgendwie cool, und so bin ich zum Taijiquan gekommen. Zufall, Schicksal, Interesse... Und mein erster Lehrer hat Taijiquan auch recht praktisch und anwendungsbezogen gezeigt, das fand ich gut.

 

Falk: Warum Chen-Stil Taiji?

 

Nabil: Zuerst habe ich einige Jahre unterschiedliche chinesische Kampfkünste mit Schwerpunkt Taiji trainiert. Das war nicht so traditionell, dafür recht anwendungsbetont und es ging viel um übergeordnete Prinzipien. Dann kam irgendwann das Gefühl bei mir auf, dass es mir etwas bringen könnte, ein wenig traditioneller wirklich durch die konkreten Übungen zu gehen, da diese ja quasi erst die Prinzipien hervorbringen. Also habe ich mich darin versucht. Auch irgendwie aus kulturellem Interesse, denke ich. Chen-Stil war dann etwas zufällig, aber im Nachhinein würde ich sagen, dass ich die Mischung des Chen-Stils aus Struktur, Dynamik, Anwendung, Explosivität und innerer Arbeit immer noch unheimlich spannend finde und er daher ganz gut zu mir passt... und ich zu ihm.

 

Falk: Wie kam es, dass du bei Chen Yu angefangen hast zu trainieren? Wie bist du Schüler von Chen Yu geworden?

 

Nabil: Das war ein Prozess. Ich hatte schon einige Jahre Taijiquan und auch den Chen-Stil ausgiebig praktiziert und dachte, ich wüsste, wie das Ganze funktioniert [lacht]. Daher wollte ich mein Training nochmal aufstocken und habe mir eine intensive Auszeit genommen. Chen Yu kannte ich aus Videos und aus dem Internet und bereits als ich das erste Mal etwas von ihm gesehen hatte, empfand ich eine sehr große Anziehung. Die Qualität seines Taijiquan hat mich sofort unheimlich angesprochen. Daher bin ich in Absprache mit meinem damaligen Lehrer nach China gefahren, um bei Chen Yu zu lernen. Mir war nicht klar, was mich erwarten würde, aber ich fand mich plötzlich im Winter in Peking in Hotelzimmern und bei Chen Yu Zuhause wieder, um mit ihm ganz allein durch meine Form zu gehen und mir Anwendungen zeigen zu lassen. Und natürlich hatte ich überhaupt keine Ahnung, dass sein Chen-Stil irgendwie anders sein könnte als das, was ich vorher praktiziert hatte, sonst hätte ich es aus einer Art Eitelkeit heraus möglicherweise gar nicht erst angefangen. Heute muss ich darüber lachen, weil ich es selbst auf Videos so deutlich finde und gar nicht mehr verstehen kann, dass man das nicht sofort sieht. Aber es ist interessant, dass, wenn man etwas nicht kennt, man es eben durch eine ganz andere Brille sieht. Man sieht immer hauptsächlich das, was man erwartet.

So war es auch hier. Er begann, mir den Stand zu zeigen, wie man über die Koordination der Füße, Knie, Hüfte, Taille, Brust etc. Kraft [also 劲 jìn] aufbaut und sie trainiert. Ich bin ein paar Mal hingefahren, bis ich dann ganz ins Ausland gegangen bin, um noch mehr bei ihm zu lernen – meist im kleinen Kreis, mit zwei, drei anderen Gongfu-Brüdern oder ganz allein. Und erst nach einiger Zeit, es kommt mir heute wirklich ziemlich dumm von mir selber vor, ist mir bewusst geworden, dass – völlig unabhängig von Oberflächlichkeiten wie Gewichtswechseln und so weiter – gravierende Unterschiede in seiner Form bestehen, zu allem, was ich vorher kannte. Wie eben Kraft erzeugt wird. Als es mir dann endlich klar wurde, war ich bereits zu weit, und habe nichts anderes mehr trainiert. Ich war wirklich angekommen bei meinem persönlichen Gongfu-Stil, ohne damit sagen zu wollen, dass ich in irgendeiner Weise „fertig“ sei, das wäre Quatsch. Aber ich war in meinem Bewegungssystem angekommen und bin immer noch total begeistert davon. Komplett Feuer und Flamme! Konsequenterweise bin ich dann Chen Yus direkter Schüler geworden und fühle mich geehrt, aber in gleichem Maße verpflichtet, diese Tradition von Chen Fake und Chen Zhaokui weiterzuführen. Ich bin ebenfalls dankbar, dass Chen Yu mir diese Art des Unterrichts gegeben hat, das war nicht selbstverständlich.

 

Falk: Wie lange trainierst du schon?

 

Nabil: Ich habe 1996 oder 1997 mit dem Taijiquan begonnen und habe immer recht fleißig trainiert.

 

Falk: Was unterscheidet Chen Yus Methode von anderen?

 

Nabil: Tja, schwierig, ob man so einen Vergleich überhaupt anstellen sollte. Sie ist schon speziell, und eigentlich sollte jede Methode, die Tiefe hat, auch irgendwie speziell sein. Aber viele andere Methoden kenne ich ja gar nicht. Oder nur vergleichsweise oberflächlich, daher rede ich eigentlich nicht so gern über andere Methoden. Das wird schnell ein Meine-ist-besser-als-deine-Vergleich, der auf Unkenntnis beruht. Und andersrum mag ich es ja auch nicht besonders, wenn Personen, die unsere Methode überhaupt nicht trainiert haben und nur aus dem Internet kennen, sich eine Meinung darüber anmaßen. Was meinst du denn, wie fühlt sich die Methode an oder fühlt sie sich anders an, als das, was du vorher gemacht hast?

 

Falk: Sie fühlt sich definitiv anders an, sie ist irgendwie sehr lebendig und aktiv. Diese Art der Körpermechanik, sowie deren innewohnende Bewegungsprinzipien, waren mir bis dahin gänzlich unbekannt, was das System allerdings auch sehr anspruchsvoll macht. Die vor allem im Chen-Stil immer wieder betonte Spiralkraft wird körperlich und muskulär erfahrbar. Es ist eine sehr logische, frei von Mystizismus und Geheimnissen, gut nachvollziehbare Methode, die auch durch ihre Anwendungsbeispiele in der Partnerarbeit ihre Wirkung zeigt. Ich fühle mich, ähnlich wie du, in dieser Methode sehr wohl und habe meinen Lehrer gefunden [lacht].

 

Nabil: Das ist nett... schauen wir mal, was die Zukunft bringt. Aber klar, es ist kein einfacher Stil, dafür eben sehr gehaltvoll, wenn man sich anstrengt. Ich merke das immer wieder, ob ich Taiji unterrichte, mit Hochleistungssportlern arbeite oder eher therapeutisch weiterhelfe, es gibt sehr lohnenswerte Aspekte und man kann damit in viele Richtungen gehaltvoll arbeiten. Man sollte aber den Kern des Taiji bei aller Vielfalt im Fokus behalten, sonst verliert es seinen Sinn.

 

Falk: Was gibt dir das Training?

 

Nabil: Es gibt mir das, was ich damit mache. Ob ich Stabilität suche, Explosivität, Power, Lebendigkeit, Energie, Ruhe, innere und äußere Struktur, geistige Klarheit... dann sind das Attribute, die ich meinem Training geben würde, aber nicht unbedingt zu jedem Zeitpunkt in gleichem Maße. Das Bewegungs-Training selbst ist beweglich und lebendig.

 

Falk: Setzt du dir Ziele im Training?

 

Nabil: Ja, auf jeden Fall. Kurzfristige, mittelfristige und auch langfristige. Ob ich mich dann strikt an das Verfolgen dieser Ziele halte oder nicht, kommt drauf an. Es hilft trotzdem, Etappenziele zu haben. Ohne Ziel immer nur seine zig Formen runterzureißen ist nicht besonders geistreich. Ziele geben der Sache erst ihren Sinn und helfen, bestimmte Qualitäten herauszuarbeiten, die sich im Trainingsverlauf eben auch immer wieder ändern dürfen. Im Chinesischen trennt man ja auch Aspekte wie beispielsweise Technik (技巧 jìqiao) oder physische Fertigkeit (功力 gōnglì) voneinander. Einige Aspekte kann man in den Standübungen und Säulen gut trainieren, andere wiederum viel besser in Formen, mit den Geräten etc. Es erscheint mir förderlich, auf diese Weise qualitativ sinnvoll zu trainieren, dann kann das Taijiquan abwechslungsreich und doch von denselben grundlegenden Prinzipien durchdrungen sein.

 

Falk: Gibt es Dinge, die du im Taiji erreichen willst?

 

Nabil: Ich bin glücklich, wenn ich gut trainieren kann, Fortschritte mache und meine Erkenntnisse weitergeben darf.

 

Falk: Worin siehst du die Hauptaufgaben unseres Netzwerkes CTND?

 

Nabil: Das Wichtigste ist natürlich die Methode und wie sie vermittelt wird, sowie eine gute Lernatmosphäre. Die wird häufig unterschätzt. Aber es ist sehr offensichtlich, dass der Kontext, in dem man unterrichtet, sich massiv auf das Unterrichtsmaterial auswirkt. Wenn man zum Beispiel immer bloß Taiji als eine Art "leichte Gymnastik" anpreist, um Massen anzuziehen, dann wird die Methode nach einiger Zeit unweigerlich vereinfacht. Man hat als Lehrer dann ja gar keine Möglichkeit mehr, anders zu unterrichten. Ich spreche hier nicht gegen Gymnastik, bitte nicht falsch verstehen. Aber man sollte sich, wenn man selbst unterrichtet, genau überlegen, in welchem Rahmen man unterrichten möchte und wie man sich unbedingt selbst auch Zeiten verschafft, in denen man sich fordert. Häufig reden sich Lehrkräfte raus und sagen, ihr Publikum hätte ja gar kein Interesse mehr an ehrlichem, authentischem Taijiquan. Das stimmt meiner Erfahrung nach nicht, viele Menschen haben durchaus Interesse, wenn man sie korrekt behandelt und ihnen auch etwas vermittelt. Wenn ich unterrichte, versuche ich, unter Berücksichtigung der Schüler natürlich, das Training so zu gestalten, dass ich es selbst interessant finde.

Ich erhoffe mir insgesamt, dass wir es weiter schaffen, die Methode sehr präzise zu unterrichten, aber auch immer den Austausch mit anderen Schulen pflegen werden, damit man einen vernünftigen Abgleich hat und sich nicht zu sehr Dinge einbildet, weil man irgendwann zu abgeschottet ist. Momentan besteht diese Gefahr nicht, aber man kann in der Szene manchmal Tendenzen einer fast religiösen Sektierei beobachten, die ich persönlich als sehr abschreckend und unangenehm empfinde. Außerdem gibt man der Kunst im Austausch mit anderen etwas zurück und ich finde, das gehört dazu. Eigentlich ist das ein bisschen, wie bei uns im Taiji: es gibt das Verbinden nach innen, das ist unsere Methodenarbeit. Und dann gibt es das Verbinden nach außen hin. Unser Ziel sollte es so sein, diese Kunst im Miteinander auf ein hohes Level zu treiben.

 

Falk: Taijiquan auf ein hohes Level zu treiben klingt gut. Dies ist auch mein Anliegen. Aus diesem Grund wird es noch nicht einmal in meinen Präventionskursen vereinfacht. Ich unterrichte in kleinen Gruppen zwischen 4-10 Teilnehmern und versuche stets, den Kern unserer Methode herauszubringen. Was der Teilnehmer daraus macht, liegt dann an ihm selbst. Was genau meinst du mit dem Verbinden nach außen im Taiji? Den Austausch zu anderen zu pflegen oder hat das für dich im Taiji eine tiefere Bedeutung? Würde ich gerne wissen, da du das Verbinden nach innen ja mit unserer Methodenarbeit erklärst. Für mich hat das Verbinden von innen nach außen auch immer etwas mit dem Kraftübertrag zu tun, also z.B. Zentrumskraft (innen) bis in die Extremitäten (außen) zu übertragen.

 

Nabil: Ja, genau. Im sozialen Sinne meine ich den Austausch damit. In der Körperarbeit natürlich die Kraft, die Verbindung von innen nach außen durch Zentrumskraft, Spiralkraft, Expansionskraft, die Koordination mit dem Partner und so weiter...

 

Falk: Wo siehst du uns in ein paar Jahren?

 

Nabil: Dazu sag ich nichts, sonst nagelst du mich irgendwann darauf fest... [lacht]. Mal sehen, ich glaube, wir werden ein kleiner, netter Haufen sein mit vielen eigenständigen Charakteren, die Spaß an der Sache haben und sich anständig Mühe geben, Taijiquan gut zu trainineren.

 

Falk: Unser Chen-Taiji wird häufig als "Taiji Gong Fu" bezeichnet. Was bedeutet das für dich?

 

Nabil: Ja, Chen Yu spricht häufig von „Taiji Gongfu“. Es ist eine tief verinnerlichte Fertigkeit und betont das wirkliche Können, das man sich erarbeitet hat. Es ist grundlegend und übergreifend und bezieht sich nicht mehr auf einzelne Anwendungen oder ähnliches. Gongfu kann man sich in allem Möglichen erarbeiten, und wir tun es halt im Taijiquan. Chen Zhaokui betonte: „ohne Gongfu ist auch jede Technik leer“. Das heißt, man versucht schon, die hinter den Einzelbewegungen liegenden Prozesse von Öffnen und Schließen usw. zu erkennen, aber man muss das Gongfu eben dann auch herausbringen können. Wenn man sich dann ein großes Können erarbeitet hat, musste man sich auf dem Weg viel mit sich selbst auseinandersetzen, insofern transzendiert das Können dann das Spezifische und kann sich im Ganzen ausdrücken, weil die eigene Person sich eben verändert hat. Aber das soll keine Ausrede sein und zu Wunschdenken verleiten, mann muss halt die Dinge praktisch tun. So in etwa sehe ich das...

  

Falk: Wie sieht Chen Yu die Verbreitung seines Taiji Gong Fus hier bei uns in Deutschland?

 

Nabil: Er ist darüber froh, dass sein Taijiquan inzwischen auch mehr Anerkennung findet. Wir sind ja auch mit unseren Schülern nach China gefahren, damit es da Austausch gibt, damit unsere Schüler sehen, dass die Methode dieselbe ist und wir authentisch unterrichten. Konstantin und ich haben uns von Anfang an sehr bemüht, Begrifflichkeiten und Konzepte so zu übersetzen, dass sie sehr nah am chinesischen Original-Sinn sind. Gar nicht so sehr, um besonders traditionell zu sein, das sind wir eigentlich nicht so sehr. Sondern eher, weil diese Begriffe meist sinnvoller und praktischer sind, als häufig gedacht wird. Es gibt Worte, die zumindest für unsere Tradition eine völlig falsche Übersetzung erfahren haben, und das gilt es zu korrigieren. Teilweise wird ja behauptet, dass man Taijiquan jahrelang trainineren müsse oder jeden Tag dreißg Formen laufen sollte und irgendwann macht es quasi ein Mal „peng“, und dann ist man erleuchtet und kann es plötzlich mühelos. Das entspricht nicht meiner Erfahrung. Immer, wenn Chen Yu zum Beispiel etwas gezeigt und erklärt hat, hat es sofort Sinn gemacht – man musste es dann halt noch so trainineren... Aber der Sinn und die Methode dahinter waren sofort klar. Zum Glück scheint es inzwischen generell mehr Tendenzen hierzulande zu geben, Taijiquan praktisch zu unterrichten, und auch anderes nicht Modern-Wushu-orientiertes-Kungfu, ob Xingyiquan, Yiquan, Baguazhang oder sonst etwas. Zu deiner Ursprungsfrage: er freut sich, und wir freuen uns, dass er uns immer wieder bestätigt hat, dass wir seine Methode auch korrekt weitergeben. Das ist ein schönes Kompliment!

 

Falk: Wie kommt es, dass nur so wenige Leute weltweit unsere Methode trainieren? Immerhin ist Chen Yu ja der Sohn von Chen Zhaokui, auf den viele der heutigen Vertreter des Chen Stils ja ihr martialisches Können zurückführen.

 

Nabil: Chen Zhaokui war bekanntermaßen derjenige, der in Chenjiagou Anwendungen und Pushhands unterrichtet hat. Aber er war dort nicht sehr häufig und nicht sehr lange, so dass sich seine Methode im Dorf vermischt hat mit dem, was Chen Zhaopi vorher unterrichtet hatte. Chen Yu hat den Hype, der seit den Achtziger- und Neunzigerjahren in Chenjiagou stattgefunden hat, einfach nicht mitgemacht, weil er ja in Beijing lebt. Und da er ja sehr viel jünger ist als die anderen Vertreter der 19. Generation, haben ihn viele zunächst nicht wahrgenommen. Zudem habe ich es erlebt, dass viele halt nur kurz zu ihm fahren, weil sie seine Videos kennen, dann aber nicht wirklich die Zeit und Mühe reinstecken, seine Methode von grundauf zu erlernen. Chen Yu sagt immer, was soll ich jemandem Tuishou unterrichten, wenn er nicht meine Formen macht und nicht meine Shenfa (身法) einsetzt? Es beginnt schon in den Füßen, dass das Gewicht etwas anders geerdet wird als in den heutzutage bekannteren Chen-Stil Traditionen, und dann baut es sich nach oben Stück für Stück anders auf. Ich glaube, der Schritt ist vielen zu groß, ihre Methode nochmal zu ändern. Wie oben schon angemerkt, ich selber weiß nicht, ob ich diesen Schritt bewusst gemacht hätte und bin inzwischen sehr froh, dass ich die Unterschiede damals einfach nicht gesehen habe.

 

Falk: Kann es ein Ziel des CTND sein, über die Grenzen Deutschlands hinauszuwachsen und unsere Methode in Europa zu verbreiten?

 

Nabil: Könnte es sein, muss es aber nicht. Obwohl ich auch in anderen Ländern unterrichte, glaube ich, dass „Wachstum“ als Ziel schon falsch ist. Man muss nicht immer „wachsen“ oder „groß sein“. Wir merken ja in unserer heutigen Zeit, dass Wachstum auch Probleme hervorruft. Ich denke, man muss einfach gute Arbeit machen und fertig. Der Rest entsteht von allein. Ob man bei einer gewissen Organisations-Größe überhaupt noch gute Arbeit machen kann, bleibt für mich ein Fragezeichen. Natürlich muss man eine gewisse Größe haben, um bestimmte Projekte machen zu können, Pushhands-Workshops, Intensivtrainings und so weiter. Aber mehr muss auch nicht sein.

 

Falk: Es gibt in der Taiji-Szene viele Menschen, ich nenne sie hier mal "Kraftallergiker", die der Meinung sind, man darf nicht mit Muskelkraft arbeiten. Woher kommt diese Denkweise? Ist dies nicht ein falsch verstandenes Modell der sog. "mühelosen Kraft"?

 

Nabil: Jeder soll machen, was er möchte, und die Methoden müssen auch nicht alle gleich sein. Dass die Beinmuskulatur in den Taiji-Formen arbeiten muss, ist den meisten ja eh klar. Aber es gilt halt, Einseitigkeit zu vermeiden. Man möchte also alles trainieren, Ober- und Unterkörper, und neben den Muskeln macht auch das Bindegewebe, machen Sehnen, Bänder und Knochen alle mit. Eigentlich ist es recht einfach: man baut den Körper zunächst als eine Art Ballonstruktur auf, wie Chen Zhaokui es nannte. Dazu benötigt man die drei äußeren Koordinationen (外三合 wàisānhé). Was dann in dem Ballon passiert, regelt man über die drei inneren Koordinationen (内三合 nèisānhé), woran eben auch der Geist beteiligt ist und der Bewegung Sinn verleiht. Und wenn es nach außen geht zum Gegner hin, das regeln dann die Jin-Dynamiken und die Konzepte des Verbindens, Folgens und Klebens, die es im Chen-Stil gibt, damit man die eigene Ballonstruktur bestmöglich einsetzen und beibehalten kann. Von unserer Warte aus gesehen erscheint es daher eher sinnvoll, in Kräfte und deren Wechsel zu differenzieren. Also, welche Kraft möchte ich unbedingt haben und trainieren, wie Strukturkraft, explosive, elastische Kraft, Expansionskraft, faltende Kraft, Taillenkraft und die zig anderen Kräfte, die man in den Formen vorfindet, und welche Arten von Kraft möchte ich vermeiden, weil sie mich unbeweglich machen, Gelenke versteifen und in die Reaktion zwingen.

Wie man daran dann arbeitet, zum Beispiel auch mit einem teilweisen Kraftverbot zur Förderung der Beweglichkeit und der Wechsel, das alles kann vielleicht sinnvoll sein, das muss jeder für sich in seiner Methode sehen, wie er das regelt. Natürlich sollte nach jahrelangem Training so etwas wie „mehr Kraft“ rauskommen, und nicht unbedingt „weniger Kraft“. Mit dem Begriff der Mühelosigkeit konnte ich noch nie etwas so richtig anfangen. Man trainiert halt und ob es einem Mühe macht oder nicht, hängt davon ab, wie lange man es schon traininert hat und ob man es kann. Man muss die Mühe nicht unbedingt suchen, aber sich davor ständig zu scheuen, erscheint mir auch keine gute Lösung. Es gibt wohl Menschen, die ständig nach einem „mühelosen Push“ suchen, und der passiert dann ein Mal in 10 Jahren oder so. Ich persönlich kann damit nichts anfangen, aber das soll jeder für sich beurteilen.

 

Falk: Hast du allgemein einen Tipp für das eigene Taiji Training? Was empfiehlst du den Trainierenden unserer Methode?

 

Nabil: Ich würde grundsätzlich empfehlen, vom Groben zum Feinen zu gehen. Zunächst die Basis zu verstehen, wie man bei uns Gewicht wechselt und welche Varianten davon es gibt. Dann lernt man die Handpositionen und den äußeren Rahmen. Man ist zentriert und locker. Hier beginnt man langsam, die Schrittarten und die diversen Handmethoden zu erlernen. Anschließend kann man immer mehr über Körperrotationen und Falten die Bewegungen führen und mehr dynamische Kraft in die Bewegungen bringen. Geräte- und Partnertraining kann man eigentlich von Beginn an machen, das hängt auch vom persönlichen Interesse ab. Es sollte immer um sinnvolles Training gehen, um Sinnhaftigkeit in der Bewegung. 

 

Falk: Nabil, vielen Dank für das Interview und das interessante Gespräch!

 

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