CTND Pushhands Open
Als wir die Idee zu einer deutschlandweiten Turnierserie für Taijiquan-Pushhands entwickelten, gab es zwar viele offene Fragen und Unwägbarkeiten – aber wir hatten auch die Hoffnung, die deutsche Taijiquan-Szene damit um eine feste Event-Größe bereichern zu können! Unser Plan war denkbar einfach: Wir wollten mehrere Turniere in verschiedenen deutschen Städten durchführen, diese über eine übergreifende Rangliste verbinden und so – ähnlich einem Ligasystem – einen Gesamtsieger und eine Gesamtsiegerin ermitteln: gewissermaßen die Bundesliga des Taijiquan! Neue TeilnehmerInnen können ständig zum Turnier hinzustoßen – neben der Gesamtwertung gibt es natürlich ebenso Einzel-Turnier-SiegerInnen.
Dem sportlichen Wettkampf wurde bislang keine große Beachtung geschenkt, obwohl er eigentlich doch eine gute Möglichkeit ist, kämpferische Fähigkeiten in einem angemessenen Rahmen zu schulen. Auch im Ursprungsland China wird Wettkampf in den Kampfkünsten schon seit alters her betrieben und hat auch heute noch einen festen Platz im Taijiquan. Hierzulande ist der Wettkampf aus zweierlei Gründen unbeliebt: Der „Selbstverteidigungs-Fraktion“ unserer Szene ist der Realitätsbezug nicht groß genug, da man ja all die wirklich wirksamen und auf eine Verletzung des Gegners abzielenden Techniken nicht verwenden könne. Der „alternativen Bewegungstradition“ hingegen widerspricht die Leistungsorientiertheit.
Natürlich soll der Wettkampf nicht alleinige Disziplin des Taijiquan werden! Aber dass er eine Bereicherung und einen Teilaspekt bilden kann, Sport- und Leistungsinteressierte anspricht und eine körperliche Ausbildung herbeiführt, ist augenscheinlich: Körperkraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Kampfgeist werden wirksam geschult – und zwar in einer freundlichen und recht verletzungsarmen Umgebung. Allerdings bedarf es hierzu einer vernünftigen Vorbereitung für die SchülerInnen, was damit in der Konsequenz allen Verantwortlichen und TrainerInnen abverlangt wird und hoffentlich insgesamt zu einer Professionalisierung dieses Bereiches führt.
Daher streben wir einen regelmäßigen Turnierturnus an und bieten zudem ein Regelwerk, welches vielen Stilarten die Teilnahme an den Pushhands Open ermöglicht. Diese Kriterien waren für uns ausschlaggebend, und daher freuen wir uns umso mehr, dass die Turnierserie sowohl für Wettkampferfahrene als auch für Neulinge aller Stilarten so attraktiv geworden ist.
Unsere Premiere fand im Januar 2011 in Stuttgart statt. Die Räumlichkeiten boten einen höchst professionellen Rahmen und so konnte es mit viel Spannung und Vorfreude losgehen. Und wie! Bereits die Premiere war mit einem Teilnehmerfeld von etwa 40 WettkämpferInnen gut besetzt und übertraf unsere Erwartungen bei Weitem. An diesem Tag mangelte es gewiss nicht an mitreißenden Duellen. Sowohl im festen Stand als auch im Pushhands mit freien Schritten wurde jeder Zentimeter Wettkampffläche hart umkämpft. Das Wettkampfgeschehen war von absoluter Fairness aller Teilnehmer geprägt und so wurden auch Niederlagen wie Siege bejubelt! Abends konnte bei schwäbischer Küche gemeinsam gefeiert werden – hier gab es nur noch GewinnerInnen, denn alle waren froh, mitgemacht zu haben. Besonders auffällig war, dass viele schon vom Wettkampffieber gepackt waren und sich noch am selben Tag für den nächsten Wettkampf in Hannover anmeldeten.
Die Fortsetzung im Norden folgte dann Anfang Mai. Auch in Hannover konnten wir uns über viele WettkämpferInnen freuen. In die lichtdurchflutete Halle reisten zahlreiche SportlerInnen von nah und fern nach Hannover. Es kam zu vielen freudigen Wiedersehen auf und abseits der Wettkampfflächen. Wieder wurde hart, aber durchweg fair um die Ranglistenpunkte und Platzierungen gekämpft.
Erneut traten die Teilnehmenden in zwei Kategorien an: dem Pushhands im festen Stand und mit freien Schritten. Im festen Stand (Dingbu Tuishou) geht es darum, den Gegner zu einem Schritt zu zwingen. Diese Variante des Pushhands ist hervorragend für Turnierneulinge geeignet, um sich schonend an die Wettkampfatmosphäre und -spannung zu gewöhnen. Pushhands mit freien Schritten (Huobu Tuishou) findet auf einer quadratischen Wettkampffläche von mehreren Metern Durchmesser statt – hier ist es das Ziel, den Gegner durch technische Finesse zu Fall zu bringen oder von der Wettkampffläche zu schieben. Den chinesischen Ausspruch „das Weiche besiegt das Harte“ gilt es hier also ganz praktisch zu beweisen. Kritisch ist hierbei anzumerken, dass die TeilnehmerInnen sich gerade für das freie Pushhands auch so vorbereiten sollten, dass eine Verletzungsgefahr weitestgehend ausgeschlossen werden kann. In Zukunft würden wir gerne Fortgeschrittene und Anfänger weiter aufteilen, da die Niveauunterschiede ansonsten zu groß sind. In diesem Sinne und mit langfristiger Perspektive werden wir daher auch die Organisation stetig optimieren und sind Verbesserungsvorschlägen jederzeit aufgeschlossen.
Die Rangliste wächst inzwischen und etliche Vereine, Verbände und Schulen sind dort vertreten und werben durch guten Unterricht und die Erfolge ihrer Schülerschaft für sich auf natürliche Weise. Zudem bieten die Pushhands Open ein neues gemeinschaftliches Zusammenkommen und eine weitere Möglichkeit zur Vernetzung unserer Szene. Für viele Teilnehmer ist es aufgrund der klaren Regeln außerdem häufig unproblematischer, als ohne Regeln „Pushhands zu spielen“ – wo die impliziten Regeln eben leider häufig nicht so klar ausgemacht sind. Die Taiji-Szene trifft sich also, schiedsrichtert gemeinsam, kommuniziert miteinander, bewegt etwas ... Wir freuen uns, dass der freundschaftliche Austausch auf diesen Wettkämpfen so gut gelungen und für alle Teilnehmer und Lehrkräfte fruchtbar und inspirierend ist.
Nach den zwei erfolgreichen Turnieren in Stuttgart und Hannover ist unsere Vorfreude auf das diesjährige Finale in Berlin sehr groß! Das Turnier in der Hauptstadt findet am 10. September statt.
Ein abschließender Dank gilt allen SchiedsrichterInnen und den zahlreichen HelferInnen, die uns unterstützt haben, und zu guter Letzt den vielen engagierten teilnehmenden WettkämpferInnen!
„Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine,
Kürzt die öde Zeit,
Und er schützt uns durch Vereine,
Vor der Einsamkeit.“
Joachim Ringelnatz (1883 – 1934)